„Du atmest falsch!“

Andreas TalarowskiAllgemein

‚Breath-Management‘ für Sänger und Sängerinnen

Als Lehrer wie als Schüler kennen wir diese Situation: Du gehts irgendwo vorsingen und hörst den Satz: „Du atmest falsch!“

Was ist jetzt zu tun? Als erstes müssen wir die Aussage annehmen und überprüfen: geht es hier um eine subjektive Ansicht des Gegenüber, oder muss ich meine sängerische Atmung genauer anschauen und hinterfragen?

Wir müssen unterscheiden lernen zwischen persönlichen Meinungen und funktionalen Fakten.

Wenn ich selbst also einen sicheren Hintergrund habe, wie Atmung anatomisch funktioniert und welche Muskeln involviert sind, kann ich mich vor Meinungen und auch vor inneren Bildern schützen, die keine funktionale Grundlage haben.

Im Falle meiner Schülerin war tatsächlich das Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten angebracht, und sie stellte fest, dass sie in ihren frühesten Gesangsstunden gelernt hatte, eine Bauchdeckenpresse zu etablieren.

Das ist eine Technik, die aus einer alten Deutschen Schule her resultiert und etabliert wurde, um schwere Stimmen zu trainieren. Wir kennen das Prinzip: einen Schal oder ähnliches um den Bauch binden und während des Singens gegen diesen Schal „stützen“.

In unseren Gesangsstunden, wenn sie sich also in einem geschützten Raum befand, war sie entspannt und arbeitete nicht mit dieser Funktion. Aber sobald sie aus dem geschützten Raum heraustrat, in die Öffentlichkeit, beim Vorsingen, griff diese Angewohnheit, weil sie zu Beginn ihrer Ausbildung antrainiert worden war. Ihre Stimme wurde dann zu schwer, scharf und unflexibel. Auch viel ihr das An-und Abschwellen der Töne schwer, das Vibrato konnte nicht frei schwingen. Daraus resultierten auch Intonationsprobleme.

Warum ist diese Idee der Bauchstütze also kontraproduktiv?

Schon der deutsche Begriff „Stützen“ ist der unglücklichste von allen, weil er von sich aus das Festhalten von Muskulatur impliziert. Im englischen heißt es „support“, immerhin schon ein Vorgang, eine Unterstützung, das italienische „appoggiare la voce“ meint ja ‚die Stimme anlehnen‘, ein fließender, weicher Vorgang.

Was aber soll angelehnt werden?

Wir gehen oft davon aus, dass „stützen“ eine erhöhte Aktivität der Ausatemmuskulatur, besonders der Abdominalmuskulatur, sein soll.

David Jones hat gerade in einem Artikel darauf hingewiesen, zwischen „breath flow“ und breath pressure“ zu unterscheiden.

Und der übermässige Druck auf den Stimmbändern kommt durch die Überspannung der Abdominal-Muskulatur.

Die Idee der „Stütze“ sollte also niemals eine erhöhte Aktivität der Atemmuskulatur selbst sein. Durch diese Muskeln allein können wir einen Druck erzeugen, der fünf mal so hoch wie die Spannung ist, die wir für ein hohes C im Fortissimo brauchen.

Es geht also um die Balance im ganzen Torso zwischen Protagonisten und Antagonisten: die Abdominalmuskeln und ihr Gegenspieler, das Zwerchfell, oder die Abs in Verbindung mit der Intercostalmuskulatur, die, da sie zur Einatmungsmuskulatur gehört, in diesem Falle den Luftdruck von den Stimmbändern weg hält.